
Koch (be)sucht Bauer: Erdbeersorten im großen Geschmacksvergleich
Ich kaufe Boskop, Jonagold oder Granny Smith. Und wenn es Erdbeeren sein sollen? Dann sind es einfach nur Erdbeeren. Dabei gibt es über 5.000 Erdbeersorten auf der Welt. Mit Patrick Meinhardt vom Tannenhof sprachen wir über die Vielseitigkeit der Beere und haben direkt noch einige überraschende Erdbeer-Rezepte mitgebracht.
Die Erdbeere zählt zu den beliebtesten Früchten der Deutschen. Gleichzeitig aber auch zu den unbekanntesten, zumindest im Hinblick auf die Sortenvielfalt. Ein Grund für Barbara Röder, Küchenfachliche Beraterin von NESTLÉ PROFESSIONAL, sich einmal genauer auf den Erdbeerfeldern des Tannenhofs umzusehen.
Ertrag vs. Geschmack – wieso beides zusammen nicht möglich ist
Auf dem Tannenhof in Hessen baut Familie Meinhardt vorwiegend die Erdbeersorten Clery und Salsa an. „Die sind besonders aromatisch im Geschmack, allerdings weniger ertragreich als beispielsweise die Sorte Elsanta“, bestätigt Patrick Meinhardt, der Junior Chef vom Tannenhof. „Bei Erdbeeren muss man sich entscheiden. Entweder Geschmack oder Ertrag. Beides zusammen ist nicht möglich“, erklärt er. Aber wieso ist das so? Geschmacksintensive Erdbeersorten benötigen sehr viel Blattmasse, um ihr Aroma zu entfalten. Ertragreiche Sorten besitzen im Verhältnis zu den Früchten wesentlich weniger Blattmasse, das wirkt sich schließlich auch auf den Geschmack aus. Im Gegensatz dazu liefern sie aber circa doppelt so viele Früchte wie geschmacksintensive Erdbeersorten. Besonders gut wird das deutlich, wenn man sich die Sorten Clery und Elsanta im Vergleich anschaut.
Ertrag der Erdbeersorten im Vergleich
Der Ertrag wirkt sich auch auf den Preis aus. Daher kostet die Sorte Clery im Einkauf 1,50 € pro 500 g Schälchen.
Von aromatisch bis frisch: Erdbeersorten haben einen eigenen Charakter
„Für uns zählt in erster Linie der Geschmack“, so der Agrar-Ökonom Patrick Meinhardt. Daher setzen die Meinhardts auf Clery, eine der aromatischen Erdbeersorten. Diese reift beim Tannenhof unter anderem in einem tunnelförmigen Gewächshaus heran und kann ab Mitte/Ende April geerntet werden. Die mittelgroßen Früchte sind dann bereits süß und intensiv im Geschmack. Ab Ende Mai ist auch die Freilandware reif. Damit sie ihren Kunden aber auch im Sommer leckere Erdbeeren bieten können, baut Familie Meinhardt zudem die Salsa an, eine der späten Erdbeersorten. Die fruchtigen, saftigen Beeren sind besonders groß und können bis Ende Juni/Anfang Juli geerntet werden. Neben diesen beiden Sorten werden weltweit aber noch wesentlich mehr Erdbeersorten angebaut.
Patrick Meinhardt, Agrar-Ökonom und Erdbeerbauer
„Insgesamt gibt es weltweit über 5.000 Erdbeersorten. In Deutschland werden aber nur 80-100 Sorten aktiv angebaut, davon 10-15 intensiv.“
Patrick Meinhardt wünscht sich, dass es auch in Deutschland zukünftig mehr Differenzierung gibt. „Es wird immer nur ‚die Erdbeere’ beworben und nicht die einzelne Sorte, dabei ist das Aromenspektrum der Erdbeere so weit.“ Wer sich für die unterschiedlichen Erdbeersorten interessiert, findet bereits jetzt auf dem Etikett den Namen der Sorte.
Tunnel- oder Freilandware: hat der Anbau Einfluss auf die Qualität?
Welche der vielen Erdbeersorten Sie wählen, hat also Einfluss auf den Geschmack. Aber wie sieht es mit dem Anbau aus? Gibt es zum Beispiel einen Unterschied zwischen Tunnel- und Freilandware? „Auf den Geschmack hat es keinen direkten Einfluss, ob die Beere im Tunnel oder im Freiland heranreift“, erklärt Patrick Meinhardt. Allerdings sehe Tunnelware meist schöner aus, denn die natürliche Wachsschicht würde nicht vom Regen zerstört. Für viele Verbraucher spielt das eine wichtige Rolle. „Sie wünschen sich einwandfreie Früchte, ohne vom Regen zerstörte Stellen“.
Tunnelware |
Freilandware |
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Innovation: Table-Top-System im Test mit neuen Erdbeersorten
Neben dem Anbau im Tunnel und im Freiland testet Familie Meinhardt auch neue Anbautechniken, wie das Table-Top-System. „Dieses System bietet einen großen Vorteil für unsere Erntehelfer. Denn die Erdbeerpflanzen wachsen auf einem schmalen Hochbeet auf 1,10 m Höhe heran. Somit müssen sich unsere Mitarbeiter für die Ernte nicht mehr bücken“, erklärt Patrick Meinhardt. Welche der vielen Erdbeersorten auch angebaut wird, ihre Ernte ist körperliche Arbeit. Es sei immer schwieriger Erntehelfer zu finden, die dazu bereit wären. Mit Anbaumethoden, die die Ernte erleichtern, erhoffe man sich auch mehr Erntehelfer zu finden.
Das neue Table-Top-System nutzen Meinhardts zudem, um neue Erdbeersorten zu testen. Aktuell wird dort die „Magnum“ angepflanzt. Patrick Meinhardt ist zuversichtlich, dass sich der Versuch gelohnt hat: „Es sieht ganz vielversprechend aus. Die Pflanzen haben sehr große schöne Blüten, das deutet immer auch auf große Beeren hin.“
Grundregel bei allen Erdbeersorten: schnelle Kühlung für längere Haltbarkeit
Auf dem Tannenhof werden alle Erdbeersorten vollreif gepflückt. Um so wichtiger ist es, den Reifeprozess nach der Ernte schnellstmöglich aufzuhalten. Das geht am besten mit einer Schnellkühlung. „Hiermit können wir die Erdbeeren innerhalb einer Stunde von 30 C° auf 2 C° runterkühlen“, erklärt Patrick Meinhardt. Dann geht es weiter zum Großmarkt oder zum Händler. Dort treffen die frischen Beeren etwa 24 Stunden nach der Ernte ein. Die Herausforderung: „Im Großmarkt wird leider häufig die Kühlkette unterbrochen, dadurch reifen die Beeren schneller“, so der junge Erdbeerbauer. Eine echte Alternative ist da die Direktvermarktung. Am Marktstand gibt es bereits 12 Stunden nach der Ernte die ersten frischen Beeren zu kaufen. Ein wichtiger Zeitvorteil, denn alle Erdbeersorten haben sehr flüchtige Aromen. Patrick Meinhardt empfiehlt deshalb, die Früchte innerhalb von 48 Stunden zu verarbeiten.
Erdbeeren in der Küche: überraschend vielfältig
So vielseitig die Erdbeersorten, so abwechslungsreich sind auch die Zubereitungsmöglichkeiten. Die fruchtigen Erdbeeren sind ideal als kleiner Frische-Kick im Dessert wie beispielsweise als „Rhabarber-Tiramisu und Erdbeercoulis“ oder als „Spargel-Panna Cotta mit Erdbeer-Berberitzen-Konfit und Cantuccini Crunch“. Aber auch in Vor- und Hauptspeisen machen sie eine gute Figur. Wie wäre es zum Beispiel mal mit „Tomaten-Erdbeersuppe mit gebratenem Spargel und Chili-Garnele“ vorweg?
In Hauptspeisen eignen sich die Beeren hervorragend als fruchtig-süßer Gegenpart zum Fleisch. Ob „Geschmorte Lammkeule auf Pastinaken-Kartoffelstampf mit Erdbeer-Portwein-Luft“ oder „Mariniertes Zitronenhähnchen an Stangenspargel mit pikantem Erdbeerchutney“, die kleinen, roten Früchte beweisen: Sie können auch herzhaft.